Auf den ersten Blick klingt es erstaunlich: Jakob Prandtauer hat dem Stift Melk zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 5.500 Gulden geliehen, wofür ihm das Kloster 1726 fünf Prozent Zinsen,
also 275 Gulden pro Jahr, zahlte. In den Quellen heißt es dazu:
Den 11. Augusti [1726] seynd Herrn Jacob Prandtauers seel[ig] wegen vier Obligationes welche auf ihme gelauttet haben, die ainjährige Interesse davon zu 5 Procento bezalt
worden von 5500 fl (Capital) 275 fl* Interesse. (1)
* Die Abkürzung fl. steht für florins, also Gulden, das damalige Zahlungsmittel.
5.500 Gulden: Wie viel war das damals?
Das Jahreshonorar Prandtauers in Melk betrug 300 Gulden. In St. Florian bekam er 160 Gulden pro Jahr. Ein einfacher Maurer oder Tagwerker verdiente in der Barockzeit etwa 80 Gulden jährlich
und hatte im Unterschied zu Prandtauer nicht mehrere Einkünfte gleichzeitig.
Eine klare Vorstellung davon, wie viel 5.500 Gulden damals waren, bekommt man, wenn man sich anschaut, was Lebensmittel kosteten: In Wien kostete im Jahr 1700 ein Kalb etwas mehr als vier
Gulden (2). Um 1720 kosteten drei Eier einen Kreuzer und ein Liter Milch kostete zwei Kreuzer (3). Dabei entsprachen
sechzig Kreuzer einem Gulden.
5.500 Gulden waren in der Barockzeit also eine Menge Geld. Was aber bedeutet es nun, wenn Prandtauer dem Stift Melk Geld lieh?
Geldanlage
Wie jeder Unternehmer schaute Prandtauer aufs Geld; und da er Geld besaß, das er nicht benötigte, veranlagte er es in Form eines verzinsten Darlehens bei einem seiner größten Auftraggeber.
Auf den ersten Blick könnte man das also erstaunlich finden. Schaut man sich jedoch ein wenig in der Literatur um, stellt man fest, dass Prandtauer gar kein Einzelfall war.
Johann Weribert Gottfried von Person, Planzeichner im Atelier von Lucas von Hildebrandt, lieh dem Stift Göttweig 4.000 Gulden, wofür er jährlich 200 Gulden Zinsen bekam (4), was fünf Prozent entsprach.
Auch Joseph Munggenast veranlagte sein Geld bei Klöstern: 500 fl. beim Stift Seitenstetten, wofür er die offenbar marktüblichen fünf Prozent Zinsen erhielt, und weitere 500 fl. beim Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten (5). Der Maler Johann Carl von Reslfeld lieh dem Stift Garsten 1.000 fl., wofür er vier Prozent Zinsen bekam (6), und auch der Maler Franz Anton Zeiller veranlagte Geld bei einem seiner Auftraggeber, nämlich 1.500 Gulden beim Kloster Ottobeuren (7).
Literaturbelege:
- (1) Gerhard Flossmann, Quellen zur Baugeschichte des Stiftes Melk (1701–1785), ms. Manuskript, Melk 1975 (StaM., ohne Signatur), Nr. 72622
- (2) Alfred Francis Pribram, Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich (unter Mitarbeit von Rudolf Geyer und Franz Koran), Bd. 1 (Veröffentlichungen des internationalen wissenschaftlichen Komitees für die Geschichte der Preise und Löhne, Bd. 1: Österreich), Wien 1938, 292
- (3) Peter Schmidtbauer, Sozialstrukturen Oberösterreichs um 1700, in: Ausst.-Kat., Welt des Barock, St. Florian 1986, 280
- (4) Emmeram Ritter, Neue Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte des Stiftes Göttweig, in: Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 1, 1961, 61
- (5) Thomas Karl, Die Baumeisterfamilie Munggenast. Sonderausstellung des Stadtmuseums St. Pölten anläßlich des 250. Todestages von Joseph Munggenast, St. Pölten 1991, 16, 79
- (6) Erhard Koppensteiner, Der Garstener Stifts-Hof-Maler Johann Carl von Reslfeld (ca. 1658–1735), phil. Dissertation (unpubliziert), Salzburg 1993, 782–783, A 81
- (7) Gabriele Dischinger, Ottobeuren. Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672–1802, 3 Bde. (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, 47. Ergänzungsbd.), Sankt Ottilien 2011, 3. Bd., 940, QU 4.25
Alle weiteren Quellenbelege finden Sie in der Prandtauer-Monografie, die ich gerade vorbereite.
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