Prandtauer: Architekt oder Baumeister?

Vertrag zwischen Jakob Prandtauer und Abt Berthold Dietmayr über den Neubau der Melker Stiftskirche vom 6. April 1702
Vertrag zwischen Abt Berthold Dietmayr und Prandtauer über den Bau der Melker Stiftskirche, 1702 (StaM, 11. Bauamt 2) | Rechts die Unterschrift Prandtauers mit dem Zusatz "Baumeister"

 

Was genau war ist denn eigentlich die Berufsbezeichnung  Jakob Prandtauers? In der Literatur wird er sowohl als „Architekt“ als auch als „Baumeister“ bezeichnet, wobei die beiden Begriffe oft als Synonyme verwendet werden.

 

Dies liegt wohl am mangelnden Bewusstsein darüber, dass es zwischen den beiden Berufsfeldern Unterschiede gibt, vielleicht auch an der Tatsache, dass eine scharfe Grenzziehung im 17. und 18. Jahrhundert oft nicht möglich ist. Im Falle von Prandtauer lässt sich aber klar sagen: Er war von der Profession her Baumeister. Diese Berufsbezeichnung und/oder den Zusatz „Maurermeister“ hat er auch regelmäßig seiner Unterschrift beigefügt (siehe Foto oben).

Die Kompetenzen eines Baumeisters

Als Baumeister hatte er eine Lehre durchlaufen und besaß weitreichendere Kompetenzen als ein Architekt. Die Maurerlehre war eine handwerkliche Ausbildung und dauerte in der Barockzeit meist drei Jahre. Hatte der Lehrling die Lehrzeit erfolgreich absolviert, war er Geselle und musste auf Wanderschaft gehen. Danach konnte er dauerhaft in einem Betrieb eines Baumeisters arbeiten und, sofern er talentiert und ehrgeizig war, Polier werden.

 

Als Polier hatte er die Aufsicht über einen Bau und war das Bindeglied zwischen dem Meister und den Hand- und Tagwerkern. Wollte er weiter aufsteigen und Baumeister werden, musste er in der Regel ein Meisterstück anfertigen. Damit war es freilich immer noch nicht getan. Erst wenn er das Bürgerrecht einer Stadt erworben hatte, ein Haus besaß und verheiratet war, konnte er einen Betrieb gründen.

Vom Lehrling bis zum Meister

Prandtauer hat alle Stufen dieser Karriereleiter erklommen: Er hat eine dreijährige Maurerlehre in Schnann in Tirol gemacht, war dann – zumindest vom Frühjahr bis zu Beginn des Winters – auf Wanderschaft und hat in späterer Folge wohl als Geselle in der Werkstatt des Wiener Baumeisters Christian Alexander Oedtl gearbeitet; von dort ist ihm schließlich 1692 der Absprung nach St. Pölten und in die Selbstständigkeit gelungen.

Entwurf und Ausführung von Bauprojekten

Viele Baumeister übernahmen nicht nur die Ausführung von Bauten, für die ein Architekt die Pläne geliefert hatte, sondern waren auch selbst entwerferisch tätig. In der Regel beschränkte sich die eigenverantwortliche Entwurfspraxis allerdings auf einfache Vorhaben, wie etwa den Bau von Bürgerhäusern. Zu den wenigen Baumeistern, die in Wien bzw. Niederösterreich auch Großprojekte vom Entwurf bis zur Ausführung betreuten, zählen Christian Alexander Oedtl, Franz Jänggl und eben Jakob Prandtauer, wobei Letzteren ein künstlerisches Niveau auszeichnete, das nur wenige seiner Kollegen erreichten.

 

Aus der Sicht der Auftraggeber, allen voran der Prälaten, war genau dieses Kompetenzpaket attraktiv: Prandtauer war in der Lage, künstlerisch anspruchsvolle Entwürfe zu liefern, war technisch versiert und konnte einen Bau im Unterschied zu einem Architekten auch selbst ausführen. Wer ein Projekt in seine Hand legte, durfte – unabhängig von dessen Größe und Komplexität – mit einer überzeugenden Lösung rechnen, bei der wirtschaftliche Aspekte wie etwa der Einsatz von Material und Arbeitskräften in hohem Maß Berücksichtigung fanden.

Cover Prandtauer-Monografie
Cover Prandtauer-Monografie

Huberta Weigl

Jakob Prandtauer

1660–1726, Baumeister des Barock

 

Michael Imhof Verlag

zwei Bände

923 Seiten, 885 Abbildungen 

ISBN 978-3-86568-031-0

Subskriptionspreis bis 1.3.2021:

99,00 Euro (D) | 101,80 Euro (A) | 114,00 CHF

danach 128,00 Euro

 

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